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gez. 1939
v. Athanasius - Terra v. Aditi |
Züchter:
Gestüt Erlenhof |
Besitzer:
Gestüt Erlenhof |
Trainer:
Adrian von Borcke |
Der Zweite
Weltkrieg hatte Europa fest in seinem schrecklichen Würgegriff, doch lief
der deutsche Galopprennsport 1942 noch relativ unbehindert weiter und hatte
nach Schwarzgold eine weiteres Aushängeschild:
Ticino! Der Hengst war nicht nur ein sehr schnelles Rennpferd und ein sehr
guter Vererber - nein, quasi als Tüpfelchen auf dem i war der
charakterlich einwandfreie Rappe ein bestechend schöner Kerl.
Anfänglich
wußte man auch bei ihm nicht so recht, was man da im Stall hatte - Schicksal
vieler großen Pferde. Nach einem Sieg und einem vierten Platz als Zweijähriger
entzündete sich das Vorderfußwurzelgelenk und er mußte punktiert werden.
Saison gelaufen! Dreijährig kam er erstmals im Preis von Dahlwitz raus.
Julius Rastenberger hatte von Adrian von Borcke Tun Sie ihm nicht
weh, er hat was gehabt mit auf den Weg bekommen. Jule
Rastenberger hielt sich an die Order und trotzdem lief Ticino hinter dem
Favoriten Effendi gleich auf den zweiten Platz. Jules Kommentar: Gutes
Pferd, das Sie da haben!
Ob
es dann mit Ticino einen Rückschlag gab oder der Trainer einfach ein grandioses
Versteckspiel initiierte, ist nicht überprüfbar. Denn beim Henckel-Rennen
(324:10) und in der Union (268:10) landete der Hengst jeweils nur auf dem
5. Rang, mit seinen Siegen in diesen beiden Rennen avancierte Effendi zum
großen Derbyfavoriten. Erst vier Tage (!) vor dem Deutschen Derby zeigte
Ticino seine wahre Klasse und holte sich als überlegen gehendes Pferd das
Nickel-Eintracht-Rennen. Da Otto Schmidt bereits für den anderen Erlenhofer
Effendi im Derby verpflichtet war, engagierte von Borcke für Ticino Josef
Göbl. Aber der hohe Favorit Effendi konnte gar nicht an den Start gebracht
werden.
War
24 Stunden vorher die Welt noch in Ordnung und Effendi blendend aufgelegt,
so brach sie am Donnerstagnacmittag vor dem Derby auseinander. Effendi
wurde gestrichen! Die wildesten Gerüchte, Vergiftung, Husten,
Bruch machten die Runde. In der Tat hatte Effendi ursprünglich
eine kleine, harmlose Verletzung, aber der Pfleger, der das Bein einreiben
sollte, verwechselte die Flaschen und behandelte das Bein statt mit einem
kühlenden Mittel mit einem gefährlichen Medikament. Effendi hatte
ein dickes Bein. Aus und vorbei der Traum vom Derbysieg Effendis. Nun war
der Derbymarkt wieder am rotieren. Alle hatten an Effendis Derbysieg zementiert
geglaubt, zu überlegen war er durch die Qualifikations-Rennen gelaufen,
nun des Favoriten verlustig, herrschte allgemeine Ratlosigkeit. Am fixesten
reagierte von Borcke und verpflichtete flugs am Freitag Otto Schmidt für
Ticino, welcher plötzlich hustete! Verwirrung total.
Adrian
von Borcke erinnerte sich wohl an seine Schulzeit und daß man bei Husten
auch nicht gleich die Schule schwänzen durfte, auch zeigte Ticino keinerlei
Anzeichen von Fieber und so ließ er ihn starten. Mit Hassan hatte Ticino
seinen persönlichen Hasen im Rennen, der vom Start weg einen flotten Takt
anschlug. Otto Schmidt legte sich mit Ticino gleich dahinter. Eingangs
des Horner Bogens hatte Hassan seine Schuldigkeit getan und verdrückte
sich in die hinteren Regionen, ziemlich früh war Ticino plötzlich in Front.
Aber Otto Schmidt ritt den Hengst energisch und kraftvoll nach Hause und
das Ding war drin! Jubel im Gestüt Erlenhof!
Aber
in Abwesenheit von Effendi hatte man in die Klasse des neuen Derbysiegers
noch kein Vertrauen. Ticino stand klar im Schatten von Effendi, und auch
Ortwin schätzte man höher ein. Im Großen Preis von Wien, so nannte sich
das Österreichische Derby damals, fünf Wochen später, kreuzte Ticino
erneute die Klingen mit den beiden Kontrahenten und schlug Effendi und
Ortwin mühelos mit 4 Längen in neuer Rekordzeit und stellte klar, wer Chef
im Oberhaus ist.
Die
weitere Karriere Ticinos war ein Triumphzug und das, obwohl er vierjährig
nicht ganz auf dem Posten war. In seiner letzten Saison war er - nunmehr
fünfjährig - auf dem Zenit seine Leistungsfähigkeit und gewann überlegen
die Rennen, in denen er aufgeboten wurde, die letzten beiden Rennen im
Herbst ohne Totobetrieb. Er trug sich dreimal in Folge als Sieger im Großen
Preis von Berlin ein. Auch 1945 sollte Ticino noch an den Start gebracht
werden, aber daraus wurde aufgrund des Krieges nichts.
Ticino
gelangen bei 21 Starts 14 Siege und 4 Plätze. In der Zucht erwies sich
Ticino als absoluter Volltreffer. In leider nur 10 Jahren Decktätigkeit
errang er neun Championate! Vier seiner Nachkommen gewannen das Derby:
der Weltenbummler Orsini, das Denkmalpferd
Niederländer, die Stute Lustige und der unvergessene Neckar, ebenfalls
ein sehr guter Vererber. In England und Frankreich legte Bella Paola höchste
Ehre mit ihren Siegen in den 1000 Guineas, Oaks, Champion Stakes, Grand
Criterium und Prix Vermeille für ihren Vater ein.
1954 begannen
Ticinos Hufe zu deformieren, die täglichen Ausritte mußten gestrichen werden.
1956 wurde Ticino unfruchtbar, weitere gesundheitliche Probleme kamen hinzu,
der Hengst verfiel zusehends. Schweren Herzens entschloß man sich am 21.
August 1957 Ticino von seinem Leiden zu erlösen. Sein Skelett wurde der
Uni Gießen zur Verfügung gestellt, sein Herz soll auf einer Lichtung in
Erlenhof begraben sein ...
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